Damals, vorhin, jetzt, gleich oder später?

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Gerade jetzt riecht es in meiner schönen Wohnung überall nach verbranntem Toast. Der Feuermelder meldete den Toastbrand zuverlässig und mit lautem Warnton.
So sitze ich im Jetzt beim Kaffee und denke über einen Slogan nach, der mal vor ein paar Jahren on Vogue war, CARPE DIEM. Damals gab es Tassen, Schilder, Taschen, Shirts, Lebensmittel mit dem Slogan. CARPE DIEM ist latinisch und bedeutet pflücke den Tag, genieße den Tag. Das Zitat entstammt der Ode „ An Leukonoe“, des röm. Dichters Horaz.
Carpe Diem fordert uns auf, unsere kurze Lebenszeit zu genießen. In Deutschland wird es oft übersetzt mit „Nutze den Tag“, ob dort auch ein Genuss versteckt ist, darf jeder selbst entscheiden.
Es liegt in der Natur der Dinge, dass wir im JETZT leben. Wir lebten auch damals und vorhin.
Ob wir gleich noch leben oder später, ist nicht sicher, also ist es sinnvoll den Moment zu genießen, den Toastgeruch, den Kaffee und mein Tippen der Zeilen, während draußen der Sturm Egon seine Runden dreht. Gleichzeitig mit dem Carpe Diem gab es eine Art JETZT Bewegung. Eckhart Tolle schrieb einen Bestseller, mit dem Titel „JETZT“.
Stellen wir uns unser Leben als Zeit vor, so nehmen wir meistens eine Linie.

damals                 vorhin             jetzt             gleich                   später

Bedeutet CARPE DIEM, unser Leben auf ein Jetzt reduzieren zu sollen?
Ich persönlich denke nein, ich kann den Tag genießen und gleichzeitig an damals, an vorhin, an gleich oder halt an später denken.
Muss ich den Tag denn immer genießen?
In der Polarität des Lebens ist es so eine Sache, um genießen zu können, darf ich erfahren, was Genuss überhaupt für mich bedeutet und für diese, meine persönliche Bewertung benötige ich einen Gegenpol. Ich muss für mich herausfinden, was ich meiden möchte.
Kann ich aber im Jetzt genießen, wenn ich mit dem Meiden beschäftigt bin? Das Leben erscheint mir als ein ständiger Wechsel, zwischen Meiden und Genuss. Im Jetzt sammeln wir die Erfahrungen für unsere Bewertungen. So erscheint mir die deutsche Interpretation des „ Nutze den Tag“ auf einmal sinniger. Die Frage steht im Raum, ob wir überhaupt immer genießen wollen? Wenn wir ewigen Frühling hätten, mit all seinen Farben und Gerüchen, würden wir ihn noch als schön wahrnehmen können. Erst der Winter macht den Frühling für mich schön.
Ja, wir leben jetzt, aber damals, vorhin haben wir auch gelebt, und wenn wir weiter Genuss wollen, den Tag leben, dürfen wir auch immer einen Gedanken, einen Blick auf gleich und später haben.
Carpe Diem ist eine Lebenskunst, Ars vitae. Die Kunst zu verstehen das im Jetzt, ein Damals, ein Vorhin, ein Gleich, ein Später steckt, die Kunst zu verstehen, dass ein Leben immer zwei Seiten, zwei Pole, zwei Richtungen hat. Wir können auch das Meiden genießen und den Genuss meiden, alles an einem Tag, in diesem Moment, im Grunde ist das „Carpe Diem“ für mich, wir haben die Freiheit der Wahl.
Ich öffne jetzt mal das Fenster, der Toastgeruch ist kein Genuss, aber ich nutze den Moment.

4 Gedanken zu “Damals, vorhin, jetzt, gleich oder später?

  1. Das Jetzt ist ja relativ, wie Zeit überhaupt relativ ist. Für mich ist es wichtig, mir bewusst zu machen, dass meine persönliche Zeit endlich ist. Das bedeutet, nicht zu lange in der Vegangenheit zu verweilen, will sagen, ihr nachzutrauern. Aber auch nicht voller Sorge oder Ungeduld auf zukünftige Ereignisse zu warten. Das Beste aus jedem Tag zu machen, für mich und meine Welt drumherum. Was den Frühling betrifft, hast du ja so recht! Mein Bruder lebt auf einer Insel des ewigen Frühlings. Klar, er kann immer in kurzen Hosen rumlaufen, auf seinem Balkon im Januar seinen Kaffee trinken, aber mir würde das ebenfalls nicht gefallen. Dazu liebe ich den echten Frühling hierzulande mit seinen Farben und Geüchen zu sehr. Zum Genießen fällt mir ein, was mir mal ein Freund gesagt hat. Lerne genießen, sonst wirst du ungenießbar.

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