
Kann Kapitalismus Klima?
Ich bin im Kapitalismus geboren, ich kenne einige seiner positiven und einige seiner negativen Seiten. Er macht wenige Menschen sehr reich, mit den Reichtum lassen sich politische Richtungen, Gesetze, Meinungen beeinflussen. Die Menschen, welche nicht zu den Superreichen gehören, können im bundesdeutschen Kapitalismus, mit etwas Glück ein normales Leben führen. Ich persönlich mag die Marktwirtschaft, wo es eins der Ziele ist, für eine Tätigkeit, ein Produkt Gewinne zu erzielen, der Markt besteht aus Angebot und Nachfrage.
Soweit so gut. Doch irgendwann, ich vermute es darf in den 60er Jahren gewesen sein, tauchte der Begriff Wachstum auf. Der Konditormeister im heimischen Viertel benötigt am Monatsende einen Gewinn, aber benötigt er Wachstum? Die Finanzindustrie benötigt Wachstum, es ist wie bei einem Turm, welchen man aus Bausteinen baut, jeder neue Baustein ist Gewinn. So werden immer wieder Steine auf den Turm drauf gesetzt, bis Gleichgewicht, Statik und Schwerkraft ihren Tribut einfordern. Die Auswirkungen solcher eingestürzten Wachstumstürme wirken sich leider auch auf besagten Konditormeister aus, da globale Wirtschaftssysteme miteinander in einer globalisierten Welt vernetzt sind. Ein Dominoeffekt reißt viele weitere Branchen mit sich. Das Wachstum fordert aber auch unseren Planeten und seine Natur, seine natürlichen Ressourcen heraus. Es wird mehr produziert, als der Planet auf kurze Dauer hergeben kann, alles der Idee vom Wachstum geschuldet, welche ihre Quelle in der Finanzwirtschaft hat. Es mag einem das Sinnbild erscheinen, das man an dem Ast sägt, auf dem man sitzt.
Die Ressourcen unseres Planeten sind endlich, ein unbestrittenes Faktum. Macht also Kapitalismus in der Variante des ungebremsten Wachstums Sinn? Haben alle Menschen dadurch ein besseres Leben einen Gewinn? Kann Kapitalismus Klima? Kann er einen für alle Menschen gefährlichen Klimawandel aufhalten? Märkte reagieren auf Nachfrage und Angebot. Als ich einmal in Florenz war, verkauften sogenannte, fliegende afrikanische Händler auf der Piazza della Signoria, Sonnenbrillen, Cappys, Uhren, Spielzeug und Souvenirs. Plötzlich gab es ein Gewitter und wie durch Zauberhand waren die Händler verschwunden, um plötzlich wieder aufzutauchen, jetzt mit Regenschirmen, als einzige Ware. Der Markt im Kapitalismus reagiert auf Ereignisse und Kundenwünsche. Der Kapitalismus, das sind wir. Wenn wir ihn ändern wollen dürfen wir uns ändern, unseren Konsum hinterfragen. Wenn ich überlege, wie viele von den Dingen, welche ich besitze, ich ein Jahr lang nicht gesehen oder genutzt habe, bin ich erstaunt. Es sind gefühlt 40%.-50%, wenn nicht mehr.
Mittlerweile überlege ich mir gut, ob ich Dinge tatsächlich benötige und sie mir anschaffe. Vieles lässt sich auch ausleihen, oder erweist sich nach einer Nacht Schlaf als unnötig. Wir steuern alle gemeinsam den Markt. Wenn wir alle nicht die Zahnpasta, wie in der Werbung, die ganze Zahnbürstenlänge auftun, sondern nur die Menge die grundsätzlich nötig wäre, würden Millionen Tuben eingespart. Die Zahnpastafirmen hätten allerdings weniger Gewinne, wenn sie mit dem Absatz der Millionen Tuben geplant hätten. Für unseren ungebremsten Fleischkonsum brennt gerade ein großer Teil des Amazonas Urwaldes, der Markt benötigt Mais und Soja als Tierfutter und dafür benötigt es Felder. Der Markt im Kapitalismus reagiert auf die Bedürfnisse der Menschen. Wenn eines Tages das Wasser knapp wird, werden wir Wasserspeicher benötigen, Filteranlagen. Der Markt wird sie bei entsprechnder Nachfrage liefern. Womöglich werden die großen Firmen der Zukunft keine Internetfirmen sein, sondern Firmen, Handwerker, Branchen welche nützliche Waren zum Überleben, Recyclen, Reinigen, Filtern, Wiederverwerten herstellen, oder entsprechende Reparaturen anbieten. Wenn wir also wollen, das der Kapitalismus klimaneutral wird, dürfen wir unser Verhalten ändern. Das hat Auswirkungen auf alte Branchen und somit auf Arbeitsplätze, gleichzeitig aber werden neue Branchen und Arbeitsplätze entstehen.
Ob wir die Finanzindustrie und ihren unstillbaren Durst nach Wachstum in ihrer jetzigen Form benötigen wage ich nicht zu orakeln, aber auch sie wird sich letztendlich dem Klima, den Herausforderungen, den Märkten und somit den Konsumenten stellen dürfen. Welche politische Systeme insgesamt den Herausforderungen der nahen Zukunft gewachsen sind, wird sich beweisen dürfen. Herausfordernde Zeiten bringen häufig neue politische Ideen hervor. Wie sagte einst Willy Brandt:
Die Zukunft wird nicht gemeistert von denen, die am Vergangenen kleben.
Wonderful!
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The photo?😉
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